Türchen 24: Segenswünsche am Christstollen („Annaberger Stollensegen“) - Ein Gastbeitrag von Pfarrer Thomas Knittel

 Wenn wir heute Christstollen essen, ist uns eher nicht bewusst, dass es sich dabei ursprünglich um ein Fastengebäck handelte, das die Mönche in den Klöstern buken. Mehl, Wasser, Hefe und etwas Rübenöl waren die bescheidenen Zutaten. Das schmeckte natürlich nicht besonders lecker.

Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht schrieben darum vor etwa 550 Jahren aus Sachsen nach Rom: „Wir brauchen Butter.“ Denn solche zu verwenden, war in der Fastenzeit, zu der auch die Adventszeit zählt, verboten. Mit Rübenöl aber schmeckte der
Stollen nicht. Papst Innocenz VIII. schickt einige Jahre später (der Dienstweg dauerte auch damals schon recht lange) seinen berühmten „Butterbrief“: „Ihr dürft künftig ohne Strafen Butter statt Öl verwenden.“ Damit begann der Siegeszug des Christstollens in Sachsen.

Bis heute ist der Stollen ein beliebtes Weihnachtsgebäck. In seinem strahlenden Zuckerkleid will er an das Christkind, in Windeln gewickelt, erinnern. Zugleich ist er wohl auch ein Symbol der Vielfalt und Individualität. Denn so vielfältig wie die Stollenrezepte sind die Menschen im Erzgebirge.

Der „Annaberger Stollensegen“ will anregen, über die Symbolik des Christstollens nachzudenken. Man könnte ihn auch als „Tischgebet“ zum Stollenanschnitt sprechen.


„Annaberger Stollensegen“

Gleichwie der Stollen erstrahlt im weißen Zuckerkleid, so möge das Christkind uns froh machen und Licht bringen.

Gleichwie der Stollen reifen muss, so möge Gott Geduld in unseren Sorgen schenken.

Gleichwie die Rosinen den Stollen süß und saftig machen, so mögen die Lieder der Weihnacht uns mit süßem Klang erfüllen.

Gleichwie die Butter dem Stollen Gehalt und Schwere verleiht, so möge der Glaube uns tragen, dass Gott den Menschen nahe ist.

Gleichwie die Gewürze jeden Stollen besonders und einzigartig machen, so mögen wir einander mit unseren Begabungen beschenken und Freude bereiten.

Möge der Christstollen uns allezeit an das Brot des Lebens erinnern.

Und möge Gott auch diejenigen segnen, die keinen Stollen mögen.


Thomas Knittel

Pfarramtsleiter


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